Rückblick
Als wir vor ein paar Jahren formale Hierarchieebenen abgebaut haben, blieb das Thema Gehälter in der alten Arbeitswelt zurück. Es gibt bei uns zwar regelmäßige Mitarbeitergespräche mit Kollegen aus demselben Team, Gehaltsverhandlungen mussten aber wegen mangelnder Gehaltstransparenz und Datenschutz weiterhin mit dem Firmengründer geführt werden. Dieser ist aber immer weiter vom Team/Mitarbeiter entfernt, als wirklich eine leistungsgerechte Einstufung vornehmen zu können. Obwohl wir grundsätzlich davon ausgehen, dass jeder im Unternehmen ein passendes Gehalt erhält, benötigen wir eine Lösung für die Zukunft, um auf geänderte Situationen angemessen reagieren zu können.
Anfang 2013 stellte unser Firmengründer, Sven Christian Andrä (Sca), deshalb folgende Frage im Intranet:
Sollen Gehälter so wie alle anderen Unternehmenszahlen auch für alle zugänglich sein? Begründung/Argumentation/Vorschlag: Die Gehälter sind in der Zwischenzeit die einzige Information im Unternehmen, die nur selektiv verfügbar ist. Auch die Festlegung der Höhe der Gehälter ist eine der wenigen Entscheidungen, die fast exklusiv sca vorbehalten ist und damit nicht wirklich vom Team getragen wird.Der Vorschlag ist daher, die Gehälter auch innerhalb des Unternehmens öffentlich zu machen und die Entscheidung über Gehaltserhöhungen auch innerhalb der Teams zu machen. Es gibt hier durchaus genug Beispiele von Unternehmen, in denen das erfolgreich praktiziert wird. Alternativ könnte das auch in 2 Schritten erfolgen, erst die Transparenz und dann der Entscheidungsprozess. Diskussion offen bis 10.01.2013
Daraus entwickelte sich eine rege Diskussion in der Firma, die ich hier in Auszügen eingefügt habe:
Timo sagt: Mein erster Treffer bei Google zu dem Thema hat mich grad schon etwas nachdenklich gestimmt. Man sollte sicher aufpassen, dass sich durch solch einen Entscheidung nicht Neid und Ärger ausbreitet. Um den Mitarbeitern Gehaltsunterschiede erklären zu können braucht es messbare Faktoren. Alexander sagt: Ich stimme Timo zu. Ich denke, dass transparente Gehälter in unseren aktuellen Strukturen eher zu Problemen als zu Verbesserungen führen. Annika sagt:Ich bin dafür. Edwin sagt: Als Beispiel für funktionierende Modelle gibt es zum Beispiel Firmen, die einen Flächentarifvertrag unterzeichnet haben (das sind in der Tat “genug”). Dort weiß man anhand der Entgelttabelle und der Stellenbeschreibung (die zumindest in meinem alten Unternehmen öffentlich einsehbar war), was der Kollege verdient. Dennis sagt:Ich sehe keinen Vorteil in einer Offenlegung. Mir ist es wichtig zu wissen, wo die Firma planerisch und organisatorisch hinsteuert, und ich finde die bereits bestehende diesbezügliche Offenheit an vielen Stellen beispielhaft und fühle mich auch eingebunden. Aber mein Interesse endet eindeutig vor dem Konto des Kollegen / der Kollegin.
18 Monate! später hatten wir immer noch keine für uns funktionierende Lösung für den Vorschlag gefunden. Im Wesentlichen drehten wir uns dabei um zwei Fragen:
- Wie schaffen wir Gehaltstransparenz ohne die Gesetze zum Datenschutz zu unterlaufen?
- Nach welchen gerechten Kriterien wollen wir gemeingültig über Gehälter entscheiden?
Trotz Arbeitsgruppen (Wie machen das andere?), Umfragen und Befragung von Experten und Anwälten zum Datenschutzrecht, ist es uns nicht gelungen eine zufriedenstellenden Lösung für alle zu erarbeiten. Irgendeinen Haken gab es immer. In einem letzten Versuch wurde dann folgender Ansatz ausgearbeitet:
Der Vorschlag
- Ein festes Gremium entscheidet zukünftig über Gehälter. Diesem Gremium liegen Informationen über alle Gehälter vor
- unser Backoffice steht dem Gremium beratend zur Seite
- Gremium muss jederzeit allen bekannt sein
- muss irgendwie gewählt werden
- Anzahl der Mitglieder: 3 feste Mitglieder, 1 “Antragsteller” mit 1 Unterstützer (idealerweise einer der Betreuer)
- Antragsteller und Unterstützer müssen nicht alle Gehälter kennen und diese werden ihnen auch nicht zugänglich gemacht
- Gremium entscheidet auch über Anzahl/Regelung der Urlaubstage oder andere zusätzliche Vergütungsmöglichkeiten (Lohnersatzleistungen?)
- die Gremien-Mitglieder werden über den Datenschutz belehrt
- dieses Gremium kennt die Feedbackprotokolle, mindestens aber die Zielvereinbarungen, der anderen Mitarbeiter
- wir schaffen Neid ab und Vertrauen an
- Gremium muss Unternehmenszahlen kennen
Dieser Ansatz wurde inzwischen mittels Konsent-Entscheidung abgestimmt und somit für die Qudosoft eingeführt. Mit folgenden Regeln wurde dann unser zukünftiges Gremium für Gehaltsfragen gewählt:
Die Wahl
Im Qudosoft-Meeting 09.07.2014 haben wir entschieden, dass wir den o.g. Vorschlag ausprobieren wollen. Nun gibt es was zu tun: Vom 11.07 – 18.07. wird das Gremium gewählt.
- jeder, der sich der Wahl stellen will, bitte bis morgen eintragen
- schreibt 3 Gremlin-Namen auf einen Zettel und werft ihn in die Wahlbox
- die Wahl ist nicht anonym, bitte vermerkt euren Namen auf dem Zettel
- in der Küche befindet sich eine Wahl-Box
Leider konnten wir die Frage nach welchen gerechten Kriterien wir zukünftig über Gehälter entscheiden noch nicht beantworten. Vielleicht, weil es ein gerechtes Gehalt nie geben wird. Zumindest wird das Gremium nun in die Lage versetzt, alle Gehälter im Unternehmen zu vergleichen. Mit Zugriff auf die Feedbackprotokolle und Befragung der Mitarbeiterbetreuer ist es hoffentlich möglich, für die meisten eine funktionierende Lösung anbieten zu können.
Sobald wir relevante Erfahrungen gesammelt haben, wird es an dieser Stelle einen Folgeblog dazu geben.
Wie sind eure Erfahrungen zu dem Thema. Habt ihr vielleicht gerade ähnliche Probleme?